Zusammenfassung
Der Zweck der vorliegenden Untersuchung bestand darin, die Langzeiteffekte einer Intensivtherapie
nach dem Ansatz der Stottermodifikation bei stotternden Jugendlichen und Erwachsenen
zu ermitteln. Dabei wurden die Auswirkungen auf die Sprechflüssigkeit mit 2 bislang
wenig verbreiteten Methoden erhoben, mit denen die Ziele der Therapie – sowohl leichter
als auch weniger zu stottern sowie lokale Sprechtechniken einzusetzen – überprüft
werden können. Weiterhin wurden mittels Fragebögen Selbsteinschätzungen sowie Änderungen
in den Bereichen Gefühle, Einstellungen und Vermeidungsverhalten ermittelt. Bei 3
aufeinander folgenden Therapiekursen der Intensiv-Modifikation Stottern (IMS) wurden
Daten bei 18 Teilnehmern direkt vor, im Anschluss an die 1-jährige Intensivphase sowie
1 und 2 Jahre nach der Intensivphase gesammelt. Sprechproben wurden mittels Telefongesprächen
erhoben. Dies geschah, indem die Patienten nicht terminiert von einer unbekannten
Person angerufen wurden. Die Anrufe erfolgten vor der Durchführung von Nachsorgetreffen.
Die Erhebung der Sprechproben geschah damit außerhalb des therapeutischen Kontexts
und unbeeinflusst von der Auffrischung von Therapieinhalten. Auf diese Weise wurde
versucht, ein realistisches Bild der Sprechflüssigkeit aus dem Alltag der Patienten
zu erhalten. In allen abhängigen Variablen zeigt sich ein typisches Bild: Im Anschluss
an die Intensivphase sind große positive Effekte zu verzeichnen. Nach 1 Jahr verschlechtern
sich die Ergebnisse etwas, bleiben jedoch im 2. Jahr nach der Intensivphase stabil.
Damit werden die sprechbezogenen und die nicht sprechbezogenen Ziele der Therapie
langfristig erreicht. Beim Percentage of Discontinuous Speech Time, mit dem der Zeitverlust durch Stottern gemessen wird, ergab sich eine langfristige
Verbesserung um 10,8 Prozentpunkte gegenüber dem Stand vor der Therapie. Die Intervall-Messung,
mit der 3-Sekunden-Intervalle kategorisiert werden, zeigte eine Reduktion der gestotterten
Intervalle um 18,5 Prozentpunkte zugunsten der flüssig gesprochenen Intervalle. Der
Anteil der Intervalle, in denen Sprechtechnik eingesetzt wurde, war langfristig gering.
Mögliche Gründe und Konsequenzen für die Therapie werden diskutiert.
Abstract
The purpose of the present study was to measure the long-term effects of an intensive
stuttering modification therapy for adolescents and adults who stutter. The effects
on fluency were assessed with 2 quite unknown methods, which seemed to be appropriate
to cover 2 important therapy goals: to lessen and ease stuttering as well as the use
of stuttering modification techniques. The assessments also included questionnaires
regarding self-evaluation and changes in feelings, attitudes and avoidance behaviour.
The speech of 18 clients of 3 consecutive courses of the “Intensiv-Modifikation Stottern
(IMS)” was assessed via telephone calls pre- and post-treatment as well as 1 or, respectively,
2 years after treatment. The telephone calls were surprise calls by an unknown person
and were explicitly done outside the context of therapy or refreshers. The purpose
of this approach was to get a realistic view of the fluency in every day situations
of the clients. All measures showed typical results. Post-treatment there are large
effects, at the follow-up one year later the results fall off, but stabilise in the
2nd year after treatment. Hence, the goals of the IMS regarding fluency and the coping
of stuttering are achieved on a long-term basis. Measurements of the percentage of discontinous speech time, which reflects the loss of time by stuttering events, showed an improvement of 10.8
percentage points after therapy in comparison to the pre-assessment. Time-interval
measurement with intervals of 3 seconds showed a reduction of 18.5 percentage points
of stuttered intervals. Two years after therapy the amount of intervals which contained
stuttering modification techniques was low. Potential reasons and consequences for
stuttering therapy are discussed.
Schlüsselwörter
Stottern - Evaluation - Therapie
Key words
stuttering - evaluation - therapy
1 Es wird allerdings davon ausgegangen, dass die erfolgreiche Anwendung von Blocklösetechniken
nur auf der Grundlage einer Desensibilisierung gegenüber dem Stottern möglich ist.
2 Unter Sprechtechnik werden hier sowohl global eingesetzte Techniken wie beim Fluency
Shaping als auch lokal beim Auftreten von Stotterereignissen angewandte Blocklösetechniken
wie der Pull-Out verstanden.
3 Der 1. Kurs wurde von Sabine Kuckenberg, Ulrich Natke und Hartmut Zückner in Solingen
durchgeführt, der 2. und 3. Kurs von Winfried Heil, Ulrich Natke und Hartmut Zückner
in Köln.
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Dr. U. Natke
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